Der Ursprung meines Wunsches nach einem fliegenden Stativ
Anfang Juni 2013 stand ich nach einem Helikopterflug in Grönland am südlichen Rand des Sermeq Kujalleq Eisstroms auf dessen riesiger Seitenmoräne und blickte auf die etliche Kilometer breite Abbruchkante dieses produktivsten Gletschers der nördlichen Hemisphäre. Eigentlich zum Fotografieren hergekommen, fühlte ich mich in Sachen Perspektive eingeschränkt - zudem machte die kurze Aufenthaltszeit vor Ort eine langwierige Standortwahl so gut wie unmöglich. Schnell jagten Gedanken durch meinen Kopf wie gut es jetzt wäre, mit einer ferngesteuerten Drohne in geringer Höhe über den zerklüfteten Gletscher fliegen zu können. Doch weder hatte ich eine Drohne im Gepäck, noch wusste ich, was zu diesem Zeitpunkt mit einem derartigen Gerät in Sachen Luftbild-Fotografie überhaupt machbar gewesen wäre.
Austausch und Recherchen
Zurück in Deutschland, begann ich mich mit dieser Frage mehr oder weniger intensiv auseinader zu setzen. Meine Zieldefinition war, wie in Grönland erträumt, irgendwann am Sermeq Kujalleq Gletscher zu stehen und mit einer Drohne technisch brauchbare Aufnahmen der Gletscherdetails machen zu können. Dieses Ziel erschien mir als das, was für eine wirkliche Erweiterung meines kreativen Spielraums zwingend zu erreichen wäre.
In den folgenden Monaten führte ich Gespräche mit Fotografenkollegen, die bereits (auch professionelle) Erfahrungen mit Drohnenfotgrafie gemacht hatten. Schnell machte sich Ernüchterung breit. Meine Anforderungslage schien einfach zu komplex zu sein, als dass sich das Projekt für mich realisieren ließe.
Theoretische Vorüberlegungen
Solange ich für meinen Katalog an Problemstellungen und Herausforderungen keine Lösung sah, schien eine Anschaffung völlig unsinnig zu sein.
- Die Dimensionen und die Reichweite: Die Front des Sermeq Kujalleq Gletschers ist mehr als 10km breit. Die Vostellung mit einer Drohne zu arbeiten, deren Fernbedienung lediglich wenige hundert Meter überbrückt, konnte ich mir abschminken - damit würde ich nicht mal über die Moräne herauskommen.
- Die Kamera: Anfangs war meine naive Idealvorstellung, einfach die jeweils aktuelle Nikon „achthundertirgendwas“ an an die Drohne zu hängen. Doch das wäre aus verschiedenen Gründen nicht sinnvoll gewesen:
- Gewicht: Die DSLR-Kamera in Verbindung mit einem eventuell noch schwereren Objektiv setzt eine sehr große Drohne voraus. Das wiederum hat Auswirkungen auf Gewicht und Größe des Gesamtsystems und damit auf den benötigten Strom pro Flugminute und die Transportfähigkeit des Systems.
- Integration in die Fernsteuerung: Hierzu gab es nach meinem Kentnisstand kein brauchbares System für Nikon Kameras. Die meisten dieser Systeme sind auf Canon EOS DSLRs bzw. spiegellose Sony Alpha und Panasonic MFT Systemkameras ausgelegt.
- Gefahr des Verlustes: Wenn ich mein Haupt-Arbeitsgerät an eine Drohne hänge, setze ich es der Gefahr eines Absturzes aus. Abgesehen vom direkten Verlust wäre das während einer nicht gerade billigen Reise eine äußerst schmerzhafte Angelegenheit.
- Schnell war mir auch klar geworden, dass die kleinen Kameras der GoPro-Klasse, die an den meisten Hobby-Drohnen zum Einsatz kommen, für mich nicht brauchbar sind. Die kurze Brennweite (im Fall von GoPro 15mm äquivalent zu Kleinbild) mit ihrer starken Verzeichung ist in Sachen Bildwirkung schon sehr eng festgelegt. Zudem sind die Mini-Sensoren dieser Kameras auch nicht gerade das, was man sich zum fotografieren wünscht.
- Transportabilität: im Gegensatz zu einem Start „aus dem Kofferraum“ sollte ich in der Lage sein, das System an denkbar entlegene Orte zu bringen. Es muss also in eine noch irgendwie von einer einzelnen Person (neben normalen Reisegepäck und Fotorucksack) handhabbare Pelibox passen (der Transport auf einem Linienflug als Check-In-Gepäck ohne Hartschalenbox wäre Harakiri), diese Box muss daneben auch in einem Helikopter zu transportieren und idelaerweise auch mal ein paar Stunden auf dem Rücken zu tragen sein.
- Flugsicherheit, Zuverlässigkeit: Ziel meines Projekts ist nicht der Spaßgewinn, ein ferngesteuertes Flugzeug in grandioser Landschaft fliegen zu lassen. Vielmehr möchte ich mit diesem Fluggerät meinen kreativen Freiraum als Fotograf erweitern. Daher kommen für mich Bastellösungen nicht in Frage. Es war klar, dass ich in Sachen Funktionssicherheit, Flugleistung, Windstabilität und Ergonomie der Fernsteuerung höchste Ansprüche habe: Ich will mich vor Ort während des Fluges unbedingt auf die Bildgestaltung konzentrieren können und nicht unter dem ständigem Stress stehen, die Drohne wieder sicher zu mir zurück zu lenken.
- Gefahr eines Totalverlustes: Einige meiner Bekannten mit Drohnen-Erfahrung rieten mir schnell von dem gesamten Vorhaben ab. Sie hätten selbst schon Abstürze aus ungeklärten Gründen erlebt - zu hoch wäre das Risiko, das mehrere tausend Euro teure Fluggerät unwiederbringlich im Eis zu verlieren. Eine wahrhaft abschreckende Vorstellung.
- Geld: Das Projekt muss für mich ohne finanzielle Rückendeckung aus eigener Kraft finanzierbar sein - was bedeutet, dass ich bei den Kosten für das Fluggerät und den Transport der Austrüsung limitierte finanzielle Ressourcen zu berücksichtigen habe.
3 Jahre Geduld
All diese Fragestellungen und wohlmeinenden Warnungen führten in meinem Kopf zu einem großen Schild mit der Aufschrift: „nichts überstürzen!“.
Meinen Kauf- und Umsetzungswunsch bändigend, nahm ich mir in den folgenden Jahren immer wieder mal Zeit, den Markt zu sondieren und zu prüfen, ob es ein Gerät gibt, das meiner Bedürfnislage weitgehend entspricht. Etwa 3 Jahre lang wurde ich dabei partout nicht fündig - immer gab es einen oder mehrere Haken an den Systemen. Diese beeinträchtigten das geplante Projekt jeweils derart, dass sich die Investition im meinen Augen nicht lohnte.
Als ich aber nun im Frühjahr dieses Jahres in die konkrete Planung meiner für Ende Juni/Anfang Juli anvisierten Grönlandreise einstieg, packte ich das Thema „Drohne“ erneut beim Schopf. Und siehe da, ich wurde in Sachen Fluggerät und Kamera fündig - ja, es gab zwischenzeitlich sogar 2 sehr konkrete Optionen, zwischen denen ich wählen konnte bzw. musste. Schlussendlich holte ich mir zu meinen Plänen noch Feedback von der wohl richtigen Person, die mir im Gegensatz zu den „Warnern“ von früher ganz allgemein einen einen zusätzlichen positiven Drall verpasste. Damit war es für mich klar, dass ich mich kopfüber und ohne weitere Vorbehalte in das finanzielle und logistische Abenteuer eines Luftbild-Projekts in Grönland stürzen werde.
Darüber, welches Fluggerät und welche Kamera ich warum ausgewählt habe, und wir es mir im Detail damit in Grönland ergangen ist, welchen Schwierigkeiten ich mich stellen musste und was alles gut geklappt hat, werde ich in den kommenden Wochen und Monaten in diesem Blog berichten.
Servus,
Stephan