Nach meinem diesjährigen Besuch auf der Photokina bleibt am Ende die Frage, was mich ganz subjektiv nachhaltig beeindruckt hat. Ich will mal versuchen die Begegnungen festzuhalten, bei denen sich in mir ein spontanes "haben wollen"-Gefühl regte.
EVIL oder Mittelformat?
Grundsätzlich muss ich feststellen, dass einige Entwicklungen momentan an mir vorbei laufen. Da ist zum einen der Megatrend der EVIL (ElectronicViewfinderInterchangeableLens)-Kameras, der vor allem durch Panasonic, Olympus und Minolta, sorry - Sony vorwärtsgetrieben wird. Grundsätzlich eine hochinteressante Entwicklung, die dem steten Wunsch nach Miniaturisierung und Gewichtsersparnis mit den durch die Digitalisierung geschaffenen neuen technischen Möglichkeiten Rechnung trägt. Meine Ansprüche an die technische Qualität der Bilddateien liegen jedoch deutlich über dem, was diese Kameras mit Ihren relativ kleinen Sensoren und den dazu gehörigen Linsensystemen zu leisten imstande sind. Ein D3x-Sensor im kompakten Gehäuse, ohne optischen Sucher und Spiegelkasten - dadurch aber mit geringstem Auflagemaß (Verstellmöglichkeiten!) - da würden die Karten neu gemischt. So etwas bleibt leider vorerst ein Traum, der EVIL-Trend geht im Moment ganz klar in die Consumer-Richtung.
Daneben gibt es eine stetige Weiterentwicklung im digitalen Mittelformat. Pentax kommt mit einer neuen Maschine zum Sensationspreis, Hasselblad treibt permanent sein System vorwärts, PhaseOne drängt mit dem assimilierten Ex-Mamiya-System in den Markt, Leica hat mit der S2 ein starkes Pferd im Rennen. Doch auch diese Schiene tangiert mich derzeit kaum. Ich sehe in der D3x nach wie vor die perfekte Symbiose aus Flexibilität, Portabilität und Bildqualität, so dass eine teure Neuinvestition in ein System mit größerem Sensor für mich derzeit wenig reizvoll scheint.
Fuji FinePix X100 - alles, nur keine Retro-Kamera
Sehr ansprechend erscheint mir das Konzept der Fuji FinePix X100. Ein Sensor in APS-C-Größe in Verbindung mit einer vernünftigen Pixel-Anzahl sollte schon mal ein Garant für ordentliche Ergebnisse sein. Dass Fuji hervorragende Objektive bauen kann, haben sie oft genug unter Beweis gestellt. Dazu ein stabiles Gehäuse und ein augenscheinlich hervorragender Hybrid-Sucher - und fertig ist die konsequent durchgezogene Kreuzung aus nostalgischer Sucherkamera und modernster Digitaltechnik. Wenn Fuji dieser Kamera ein M-Bajonett spendiert hätte, wäre sie wohl eine massive Bedrohung für die digitalen Leica M-Kameras. Die Leica X1 wird bei gleichzeitig deutlich geringerem Preis in Funktion und Ausstattung klar deklassiert (wollen wir der X100 mal eine ordentliche Bildqualität unterstellen - es wird sich zeigen).
Fuji: FinePix X100 - © FujiFilm
Pro:
- Best of both Worlds-Hybridsucher: Optisches System mit Leuchtrahmen und umfassenden technischen Daten (kein LCD-Overlay sondern durch Prisma eingespiegelt!) oder elektronischer Sucher mit 100%-Darstellung
- Hohe Anfangsöffnung von f2,0
- Zu erwarten: Objektiv mit hervorragender Abbildungsleistung
- Relativ großer Sensor am "sweet-spot" (APS-C + 12,3 MegaPixel)
- Umfassende manuelle Eingriffsmöglichkeiten
- LiveView
- Stabiles Metallgehäuse
- Eingebauter Graufilter (3 Blendenstufen)
Contra:
- Keine Wechselobjektive
Zeiss: Distagon T* 1,4/35
Eine Neuheit, die die Spatzen schon seit Monaten von den Dächern gepfiffen haben. Hierzu ist nicht viel zu sagen, außer dass das Bokeh des Distagon T* 1,4/35 mm für ein Weitwinkelobjektiv geradezu sensationell ist. Der Übergang der scharfen zu den unscharfen Bereichen im Bild ist ganz zauberhaft, die unscharfen Bereiche verschwimmen zu wunderbar weichen Schemen. Ganz klar ein Objektiv mit einem einzigartigen Charakter.
Distagon T* 1,4/35 - © Zeiss
Pro:
- Wunderbare Zeichnung unscharfer Bereiche (Bokeh)
- Hohe nutzbare Anfangsöffnung von f1,4
- Perfekte Verarbeitung
- Präzise manuelle Scharfstellung
Contra:
- Wer ihn bei dieser Brennweite brauchen sollte: es ist kein AF möglich
Der freundliche Herr vom Zeiss-Stand meinte übrigens, dass weitere ZF.2-Optiken zur Photokina nicht mehr fertig geworden wären. Das lässt darauf schließen, dass wir in naher Zukunft noch einige Ankündigungen von Zeiss erwarten dürfen.
Nikon: AF-S NIKKOR 85 mm 1:1,4G
Der lange erwartete Nachfolger der AF Version mit "Stangen-AF" und Getriebe ist endlich erschienen. Bei der obligatorischen Spielerei am Nikon-Stand hat das unglaublich voluminöse Objektiv einen sehr starken Eindruck hinterlassen. Der Ultraschall-AF arbeitet leise und angesichts der zu bewegenden Glasmassen erstaunlich schnell. Aufnahmen mit Blende 1,4 waren extrem scharf und kontrastreich. Auch das Bokeh liess auf den ersten Eindruck nichts zu wünschen übrig - das kann man von einem klassischen Portraitobjektiv allerdings auch erwarten. Was mich bei der Ankündigung des Objektivs erstaunte, war die nicht vorhandene VR-Funktion. Nach dem ich es in der Hand gehalten habe wundert mich die Sache nicht mehr. Wenn die Glasklötze im Inneren des Objektivs schnell bewegt werden müssen könnte es leicht sein, dass das Verhältnis von Gewicht, Größe und Stromverbrauch vollends aus den Fugen gerät - das ist zumindest meine Vermutung. Alles in allem ein vielversprechender Erstkontakt.
AF-S NIKKOR 85 mm 1:1,4G - © Nikon
Pro:
- Endlich...zeitgemäßer AF
- Hohe nutzbare Anfangsöffnung von f1,4
- Vielversprechende optische Leistung
- Sehr schöne Zeichnung unscharfer Bereiche (Bokeh)
- Nanokristallvergütung
- Perfekte Verarbeitung der Fassung
Contra:
- Kein VR
Nikon: AF-S NIKKOR 35 mm 1:1,4G
Dieses Schätzchen war nur von außen in der Vitrine zu bestaunen - wie schade! Was hätte aus uns beiden werden können! ;-)
AF-S NIKKOR 35 mm 1:1,4G - © Nikon
Nikon: AF-S NIKKOR 24-120 mm 1:4G ED VR
Ein hochinteressantes Standard-Zoom mit einem großen Brennweitenbereich. Ich sehe es als Konkurrenten zum AF-S NIKKOR 24-70 mm / 1:2,8 - deshalb war für mich auch die große Frage, ob es bei 24 mm ebenso stark verzeichnet wie das lichtstärkere Zoom. Natürlich hatte ich auf der Messe keine Möglichkeit, eine Messung vorzunehmen - aber der erste Eindruck war eher ernüchternd. Auch dieses Objektiv zeigt bei 24 mm eine deutlich stärkere Verzeichnung als beispielsweise das 14-24er Zoom aus gleichem Hause. Da bin ich schon mal gespannt auf die ersten seriösen Tests. Ansonsten bleibt es eine gute Alternative zum 24-70er. Die Verarbeitung wirkt tadellos und die VR-Funktion bringt der Optik weitere Punkte aufs Konto.
AF-S NIKKOR 24-120 mm 1:4G ED VR - © Nikon